Am nächsten Wochenende ist es soweit und rund 50 Künstler_innen stellen ihre Positionen zu planet eARTh – agenda 2030 aus. Zur Einstimmung kam letzten Monat schon ein Bericht aus der Zeitschrift kunst:stück. Magazin für Kunst und Kultur. Bremen/Oldenbourg + Hannover. Mai/Juni 2016.
In der unteren Bildseite kann man erkennen, dass auch einer meiner Beiträge abgebildet worden ist (das 2. von links)! Die Kunst des Hinzufügens aus dem Jahr 2013.
Vor einem Jahr sandte Anke Westermann einen Open Call aus und bat Künstler, Architekten und auch engagierte Anwohner um einen zeichnerischen Beitrag zu ihrem Stadtraumprojekt Projektor. Ausgangspunkt war eine Baulücke in der Almstadstraße in Berlin-Mitte. Anke Westermann „will die Stadtentwicklungsdebatte unter künstlerischen Gesichtspunkten neu beleben“¹, indem die „Nicht-Orte“, wie sie die entstandenen Baulücken nennt, anders als in der üblichen Weise wahrnehmbar gemacht werden.
Die Idee war, die diversen Ideen und Utopien der eingereichten Arbeiten auf die Wand des Gebäudes der Almstadstraße 51, welches die Baulücke beendet, großformatig zu präsentieren. Da sich jedoch bisher kein Sponsor finden ließ, lud Anke Westermann anlässlich ihrer Ausstellung 1#1Site alle zur Contributions ein, um die Arbeiten im Kleinformat präsentiert zu sehen.
Hinterhof_zum_Verweilen
Hinterhof_3
Hinterhof_Phoenix-BB
Mitten in einem Hinterhof im Wedding liegt der Artspace Phoenix-BB. Tritt man in den kleinen Raum hinein, steht man sofort vor zwei großen Steinwänden, durch die man sich hindurchzwängen muss. Hinter der letzten Ecke des Ganges erwartet den Besucher das Szenario einer beengten Großstadt. Auf eng beieinander stehenden Sockeln sind Elemente von Häusern aus Ton angeordnet. Langgezogene Urformen des Hauses stehen dicht gedrängt am Boden und recken sich dem projizierten Film einer Baustelle entgegen.
Phoenix-BB_Eingang
eng
1#1Site_Ausstellungsraum
1#1Site_Oberschicht
spitz
1#1Site_Baustelle
Anke Westermanns potenziert in ihrer Ausstellung 1#1Site die Verdichtung des Stadtraums und des damit verschwindenden gestaltbaren Freiraums, der durch die Enge des verkleinerten Ausstellungsraums physisch erfahrbar wird. Wir ziehen unwillkürlich die Schultern an und bewegen uns vorsichtig, um nirgendwo anzustoßen.
1#1Site_Panorama
Auf den Frontflächen der Sockel wiederum ist Bewegung: Die Beiträge ihres Open Calls werden dort in loser Folge projiziert. Um die Enge des Raums noch zu verstärken, sind die Bilder größer als der vorn stehende Sockel, sodass die Bilder jeweils geteilt auch auf den anderen dahinter angeordneten Sockeln erscheinen. Dadurch entsteht ein bizarres perspektivisch verzerrtes Bild, das von keiner Position aus vollständig zu sehen ist.
Contributions_1
Contributions_Höricht_Bröskamp
Contributions_Wechsel
Contributions_4
SONY DSC
Contributions_8
Contributions_10
Contributions_9
Contributions_5
Der gemeinsame Beitrag von Antje Höricht und mir hat sich durch die Anordnung stark verändert, wie man das hier am Vergleich sehen kann.
Beitrag zum Projektor-Projekt von Bröskamp und Höricht
Contributions_Böskamp_Höricht
Die Stadtraum-Installation Projektor ist damit noch nicht abgeschlossen. Unterstützt ein Sponsor das Projekt, wird es „haushohe“ Ausmaße annehmen. Das wird fantastisch aussehen.
Projektor_Chance
¹ Anke Westermann (2015): Projektor. Open Call. https://www.ankewestermann.de/projekte/projektor/open-call.html – Download am 15.5.2016.
Jährlich treffen sich Unternehmerinnen der verschiedensten Branchen auf einer internen Convention, um in Workshops und Open-Space-Gesprächen Fragen zu klären und neue Impulse zu bekommen. Diesmal kamen wir am ersten Maiwochenende in Berlin zu unserem 10. Treffen zusammen. Wir trafen uns in der Weiberwirtschaft, die inmitten des alten Brunnenstraßenkiezes liegt. Auch ich gab einen Workshop, der sich abseits der Businessthemen um ein künstlerisches Angebot drehte: Mach dir ein Bild von der Welt.
Angesichts der Altbauten und Hinterhöfe, die rund um die Weiberwirtschaft zu sehen sind, wollte ich Urban Sketching (Stadtzeichnen) anbieten. Ich zeichne sehr gern das, was um mich herum ist. In der Regel sind die Teilnehmerinnen aber meist weniger zeichenaffin. Daher wollte ich ihnen verschiedene Möglichkeiten bieten, auf dem leeren Blatt Papier einen Anfang zu setzen, an dem sie sich weiterhangeln können.
Als erstes stellte ich ihnen den Sucher vor. Der Sucher ist ein kleines Fenster aus festem Karton, das schnell selbst hergestellt ist. Einfach den kleinen Karton in der Mitte einmal falten und dann zwei parallele Schnitte mit der Schere schneiden. Dadurch legt man die Rahmenbreite des Motivsuchers fest. Anschließend wird das Rechteck ausgeschnitten und fertig ist der Motivsucher. Schaut man sich die Umgebung durch den Sucher an, hat sie einen Anfang und ein Ende. Das erleichtert den ersten Strich, denn durch den Sucher teile ich mir mein potentielles Motiv ein und überprüfe es auch auf seine Wirkung hin.
Motivsucher_1
Motivsucher_2
Der zweite Tipp von mir war die Gestaltung mit Stempeln. Eine Stadtlandschaft besteht zum größten Teil aus geometrischen Formen. Meine Überlegung war, dass ich mit Stempeln diese Formen aufs Papier setze. Dann ist schon etwas platziert, worauf ich anschließend die Details zeichnerisch und malerisch hinzufügen kann. Ich hatte im Atelier Stempel aus Holz und Moosgummi vorbereitet, mit denen ich diese Formen auf das Blatt übertragen kann: Quadrate, Rechtecke, Dreiecke, Balken… Teilweise habe ich mit einem Stift Formen in die Oberfläche des Moosgummis geritzt, wodurch sich der Abdruck verändert.
Stempelvariationen_4
Stempelvariationen_1
Stempel_Kissen
Stempelvariationen_3
Stempelvariationen_2
Stempel_im_Querschnitt
Setzt man nun mit dem Stempel eine erste farbige Fläche aufs Papier, hat man seinem Bild eine Richtung vorgegeben. An diese können sich weitere gestempelte Farbflächen anlehnen. Aber es können auch mit Blei- und Farbstiften, Pinsel oder Finelinern die Flächen weiterbearbeitet werden. Architektonische Details wie z.B. Ornamente, Ziegelsteine, Fenster o.ä. werden eingezeichnet und immer wieder mit der Stempelfläche in Verbindung gebracht. Für das Weiterentwickeln der Stempelflächen hatte ich viele verschiedene wasserlösliche Aquarell- und Tuschestifte, Wassertankpinsel, Graphitstifte, Ölkreiden, Brushpens und Fineliner mitgebracht, damit jede das richtige Material für ihr Bild findet.
Auswahl von Stiften
Aquarellkreiden
Die Stempel machten das Rennen. Hat man ja auch nicht täglich dabei. So saßen wir gemütlich im sonnigen, ruhigen Innenhof der Weiberwirtschaft und probierten eine Stunde lang, unsere Eindrücke aufs Papier zu übertragen. Die Stempel-Methode, die hier Premiere hatte, hat die Teilnehmerinnen und mich sehr begeistert. Alle überwanden den Anfang ohne Schwierigkeiten, die sich sonst beim ersten Urban Sketching in den Vordergrund drängen. Es wurde beherzt gestempelt, gezeichnet, neues Material (Stifte etc.) entdeckt und Kompositionen überdacht. Am Ende des Workshops hatten wir wunderbare Ergebnisse, die den unverwechselbaren Stil jeder Teilnehmerin zeigen.
Im letzten Jahr, als keiner mehr den Flüchtlingsstrom, der über die europäischen Länder hereinbrach und -bricht, ignorieren konnte, wurden überall an jedem Tisch Diskussionen darüber geführt. Ängste und Solidaritätsbekundungen wurden ausgetauscht. Aber auch Erwartungen, die an die Flüchtlinge gestellt werden.
Angesichts der Flüchtlinge um mich herum fragte und frage ich mich, ob ich überhaupt fassen kann, was sie verloren haben und welchen Gefühlen sie auf der langen Flucht ausgesetzt waren. Kann man in einer fremden Welt, in der man die Sprache und die neuen Abläufe noch nicht versteht, seiner Identität treu bleiben? Diese Suche nach einer neuen Heimat wird im Jahr 2030 sicherlich noch nicht abgeschlossen sein und wird die verschiedenen Wanderungsrouten nur noch schärfer konturieren.
Zum Nachdenken darüber wurde ich u.a. durch die achte Ausschreibung derKap-Hoorn ART in Bremen angeregt. Das Thema der Ausstellung „Kunst in der Halle 2016“ lautet „planet eARTh – agenda 2030“. Künstler_innen wurden aufgefordert, sich künstlerisch mit den Fragen auseinander zu setzen, „wohin die Zukunft den einzelnen Menschen, unsere Gesellschaft, Länder, Kulturen und letzten Endes alle Lebewesen auf dem Planeten Erde führt? Und wo könnte sie uns hinführen, wenn erweiterte Denkansätze und Entscheidungen im Sinne einer „agenda 2030“ zeitnah umgesetzt würden?“
Im braunen Strom, 2003
Ich verwendete als Grundlage mein Triptychon Im braunen Strom, das 2003 entstanden ist. Normalerweise ist natürlich etwas mehr Abstand zwischen den einzelnen Leinwänden, die für das Foto hier nebeneinander gestellt worden sind.
Schon damals erinnerte mich der weiße Komplex auf dem linken Bild an eine städtische Silhouette, die so nicht für eine deutsche Topographie typisch ist. Wahrscheinlich war es neben der panoramahaften Anordnung genau das, was mich zum Triptychon greifen ließ.
Ein Zeitungsartikel über den Zahlungsdienstleister Western Union, der sich als Wegbegleiter des Flüchtlingsstroms satt wächst, machte den Anfang: Schnipsel des Artikels kamen auf die mittlere Leinwand und wurden mit Farben verbunden. Eine imaginäre Route, bestehend aus dem Wechsel von Hoffnung und Angst, führt durch ein imaginäres Land. Flankiert wird sie im linken Bild von der Heimat, in der das ICH (das für die Herkunft, Zugehörigkeit und Identität steht) gar nicht in Frage gestellt wird. Im rechten Bild dagegen gerät dieses selbstverständliche Ich ins Wanken. Scheinbar gerettet wird weiterhin täglich ums Überleben an diesem neuen Lebensort gekämpft. Für manche wird er später vielleicht Heimat bedeuten, für viele andere nicht.
Im braunen Strom – Etappen einer Flucht, 2003/2015
Das Triptychon kann man – zusammen mit zwei weiteren meiner Bilder – am 21. und 22. Mai 2016 auf der Kap-Hoorn ART „Die Achte“ in Bremen sehen. Dort zeigen über 50 nationale und internationale Künstler ihre Vorstellungen zu planet eARTh – agenda 2030.
Der Titel ist natürlich nur im drucktechnischen Sinne gemeint: Letzten Herbst haben meine Bremer Kollegin Daniela Revink und ich uns für zwei Tage in der BBK-Druckwerkstatt in Bethanien eingemietet, um alte und neue Radierungen zu bearbeiten. Wir waren ja schon im vergangenen April zu einem Auffrischungskurs bei Gloria Alonso González gewesen. Nun ging es darum, unser Wissen zu verfeinern.
hier kann zugeschnitten werden
Plattenreste
Druckpresse mit Werkzeug
Durch Zufall wurden wir auf die Schätze in der Restetonne aufmerksam. Manche Streifen und Platten hatten schon Kratzer oder waren sogar schon geätzt worden. Andere besaßen noch den Abdecklack mit Abschabungen, die sich ein Streifen in der Tonne holen kann. Daniela kam auf die Idee, einen Streifen mit der Blechschere in verschiedene Formate zu schneiden. Anschließend bearbeitete sie beide Platten noch einmal mit der Radiernadel und versenkte sie dann in der Säure. Leider war die Säure nicht ganz so knackig wie gewohnt, sodass einige unserer Ätzungen nachher recht blass wirkten. Aber wenn man es weiß, lässt man sie halt einfach länger darin liegen.
Resteverwertung_1
Resteverwertung_2
Druck der Resteverwertung_1
Druck der Resteverwertung_2
Für partielles Ätzen kreierte Daniela einen innovativen Säurepinsel aus einem Wattebausch und einem Ohrenstäbchen, da normale Pinsel in der Säure relativ schnell kaputtgehen. Mit dem Pinsel trug sie die Säure nur auf bestimmte Partien auf, um sie zu verstärken. Anschließend wurden einige davon noch ins Vollbad gelegt.
Säurepinsel vor der Aktion
Mit dem Säurepinsel partiell auftragen
bearbeitete Zufallsprodukte im Säurebad
Gold! in der Säure
Der Lack ist noch nicht ab
vorläufiges Ergebnis
Ich arbeitete weiter mit dem Vernis-mou-Verfahren, einer Weichgrundätzung, bei der die Platte mit einem sehr weichen Ätzgrund eingerieben wird. Anschließend wird vorsichtig ein Seiden- oder Butterbrotpapier darüber fixiert. Und nun am besten nicht mit den Fingern oben darauf abstützen, denn dieser Abdruck wäre – ähnlich wie bei der Monotypie – sofort auf der Platte sichtbar.
Drucktechniken
Weichgrund
Der neue Anzug, Weichgrund-Radierung
Danach zeichne ich mit einem Graphit- oder anderem Stift auf das Papier. Dort, wo das Papier die Ätzgrundschicht berührt, nimmt es sie von der Platte ab. Ist die Zeichnung fertig, kann ich noch etwas Strukturiertes wie z.B. Gaze in die Schicht eindrücken und lege dann die Platte in die Säure. Tatsächlich hält die weiche Schicht die Säure ab, sich in die Platte zu „fressen“. Nur dort, wo die Linien freigelegt wurden, kann sie sich einätzen. Mir gefällt an dieser Technik, dass ich wirklich mit dem Stift zeichnen kann. Das Sperrige einer Ätzradierung, bei der man den Abdecklack mit der Radiernadel freilegt, gibt’s hier nicht.
Imbiss bei der Kleinen Schwester
Gutes Essen in der Wandelhalle
Wohlverdiente Pause
Bei der Kleinen Schwester können kurzfristig auftretende Hunger- und Durstgefühle sofort befriedigt werden. Das ist immer gut, um anschließend gut weiterarbeiten zu können.
Als nächstes will ich versuchen, die Vernis-mou-Radierung mit der Aquatinta zu verbinden. Mal sehen, wie das ausschaut.
Kurz vor Weihnachten war ich auf einem Abschlussball, bei dem auch festliche Garderobe erwünscht war. Was für ein Glück, dass sich noch mein Skizzenbuch und ein Etui mit einer Grundausstattung an Stiften in meiner Tasche befand. Denn was ich dort im Ballsaal vorm riesigen, festlichen Weihnachtsbaum zu sehen bekam, war einfach wert zu zeichnen.
Die Farben des Abends waren rot und schwarz. In herrlich ausladende Roben und glitzernde, figurbetonte Outfits gehüllt, ließen sich die Damen von den Herren übers Parkett führen.
Im Leben einer Unternehmerin, zu der ich als Künstlerin auch gehöre, sind Visitenkarten ein einleuchtendes Utensil des Marketings. Da stehen die wichtigsten Dinge drauf wie der Name (ja, den vergessen manche schon mal), die eMail-Adresse und die Website. Wer als Künstler zugeordnet werden möchte, setzt auch ein Bild als Erkennungszeichen ein. Denn viele Menschen erstellen über aussagekräftige Bilder ihr Namensgedächtnis.
Visitenkarten_Lieferung
Visitenkarten_Vorder- und Rückseite
Eine neue Visitenkarte stand schon lange auf meiner Wunsch- und Arbeitsliste. Unangenehm ist nur die sofort einsetzende Betriebsblindheit, die einen erfasst, sofern es um die eigene Arbeit geht. Doch ich habe das Glück, eine tolle Arbeitskollegin zu haben, die auch im Designbereich tätig ist: Daniela Revink von s!gns. Studio für Image und Design macht wunderbare Visitenkarten und noch viel mehr. Die Erstellung von aussagekräftigen Websites gehört auch in ihr Repertoire und macht ihr Motto Wir machen Ihre Begeisterung sichtbar.®, das sie zusammen mit ihrer Kollegin teilt, eindeutig nachvollziehbar. Die beiden erfassen sehr gut die wichtigsten Beweggründe eines Unternehmens und setzen diese in ein Marketing-Werkzeug um.
Visitenkarte_Perspektive
Visitenkarte_Lektüre
Visitenkarte_Reizüberflutung
Das Ergebnis ihrer und meiner Begeisterung ist dieses: ein Set von drei Motiven aktueller Mischtechniken und meiner Arbeitsphilosophie. Glücklicherweise waren diese Karten schon zur 3-TAGE-KUNST-Messe fertig und wurden begeistert von den Besucher_innen angenommen. Den „blauen Mann“ von Eine andere Perspektive verändert die Haltung gibt es nun nur noch als Karte. Vielen Dank, Daniela!
Auch eine Messe findet mal ihr Ende. Der letzte Tag verging wie im Flug, da sehr viele Besucher_innen durch die Räume der Kommunalen Galerie Berlin gingen.
Durchaus konnte ich aber noch einen Blick auf einige der anderen Künstler werfen. Ein Besucher empfahl mir, mich mit Dinah Busse zu vernetzen, da wir beide mit der Linie und Monotypien arbeiten und „uns sicherlich viel zu sagen haben“. Nun hatte ich schon am Aufbautag Dinah kennen gelernt und erzählte ihr von dem Verkuppler, der im Grunde dieselbe Idee hatte wie wir: uns zu vernetzen. (Danke, Rainer, es hat geklappt! 🙂 )
3-TAGE-KUNST-Messe Dinah Busse
Dinah Busse: Leopard, 2014
An Dinahs Kunst (ein Klick auf die Fotos vergrößert die Ansichten) mag ich vor allem den markanten und sicheren Strich, der sowohl in ihren Mischtechniken, als auch in ihren opulenten Gemälden zu finden ist. Ein Thema zieht sich über die Jahre hinweg durch ihre Arbeiten: das Tier. Neben Hunden, Affen, Raubtieren und anderen sind auch Fabelwesen anzutreffen wie auf einem der Messebilder (von 2014), das unten links auf Dinahs Messewand zu sehen ist. Doppelköpfig hängt es über einem kunstvoll verzierten Balken und lacht den Betrachter keck aus: Gestern war heute Morgen!
Kraftvoll bleckt uns dagegen der Leopard aus dem schwarzen Nichts plötzlich seine Zähne entgegen in die Helligkeit. Unausweichlich scheint der Angriff, so nah und detailliert sind die Reißzähne und Schnurrbarthaare im Moment eingefroren, den mein Sohn „als die letzte Sekunde eines Safari-Touristen“ bezeichnete.
Dinah Busse: Die Krone, 2014
Dinah Busse: König, 2013
Dinah Busse: Seitenwechsel, 2014
Wer setzt sich denn da Die Krone (2014) auf? Seitwärts, wie im Vorbeigehen. Die prunkvollen Ornamente der Krone fließen in das Kleid ein, um am Ende wieder zu verschwinden. War der krönende Moment etwa nur eine solitäre Angelegenheit, die sich nicht manifestieren lässt?
Im Gegensatz dazu ist sich der König (2013) des Goldes und der Krone, die zu seinem Amt gehören, sicher. Doch vornübergebeugt und mit ausladenden Teufelshörnern besetzt wirkt er verschlagen und raffgierig. Dinah Busses Bilder erklären keinen Sachverhalt. Sie bieten sich „nur“ an, über die eigenen Assoziationen hinaus die Prozesse und Hierarchien des Lebens zu erahnen und zu beäugen. In ihrer poetischen Frage „Welcher Zauber liegt in unserem Streben?“ fasst Dinah zusammen, um was es hier bei ihrer Malerei geht. Die Bilder sind „Momentaufnahmen von Geschichten, deren Verlauf variabel ist. Sie sind demnach Fortsetzungen von Geschichten oder Ereignissen, die dem Betrachter des Bildes innewohnen“.
So viel konnte ich dieses Mal mitnehmen: Künstler_innen und ihre Art mit unserem Berufsbild umzugehen, offene Kolleg_innen, Kontakte in viele Richtungen und viel Wertschätzung.
Das Team der Kommunalen Galerie war auch ganz großartig. Vielen Dank für drei entspannte Messetage!
Der mittlere Tag bot Zeit für Gespräche mit meinen KollegInnen. Es ist immer sehr spannend, was die anderen zu erzählen haben, was ihnen wichtig ist und natürlich welchen Eindruck ihre Arbeiten hinterlassen.
Mit Jessica Slominski verband mich nicht nur die Wand, auf der wir unsere Arbeiten aufgehängt haben, sondern auch unsere Vorliebe für Mischtechniken. Ähnlich wie ich sammelt sie jegliches Collagematerial, das sie inspiriert. Dazu gehören bei ihr aber auch alte Fotos, die sie in ihre Bilder auseinander geschnitten einfügt und anschließend malerisch weiterbearbeitet. Diese Kombination von Foto, Pinselstrich und Schriftstruktur ergibt eine irritierende Wirkung, die mich besonders bei der Arbeit mit der Frau im grünen Kimono beeindruckte (Ein Klick aufs Foto vergrößert die Ansicht).
Jessica Slominski o.T., 2014, 100 x 70 cm
Auf den ersten Blick ist der Wechsel nicht wirklich auszumachen, so sehr leuchtet und schillert das Grün durchgehend. Zudem ist die farbliche und inhaltliche Eigenart alter Farbfotos hier gekonnt technisch und kompositorisch in Szene gesetzt worden. Man kann die Vergilbung alter Fotos und die farbliche Überbetonung durch die verschiedenen Materialien geradezu haptisch ausmachen. Aber auch die Inszenierung ihres Motivs steht in der Tradition der Fotografien des letzten Jahrhunderts. Die Figur zieht rechts von der vertikalen Bildachse den Blick auf sich und dokumentiert das Interesse einer Generation an der Exotik und des Fremden, das auch mich (um die 100 Jahre später) gleich angezogen hat. Der Umriss der Frau im Kimono umgibt sie im „Hintergrund“ wie ein farblich variierender Schatten in Schwarz, Weiß und Ocker, wodurch das Bild eine abstrahierte Räumlichkeit erhält.
Jessica Slominski o.T., 2010, 40 x 28 cm
Ein weiteres Motiv in ihrem Werk sind die Familienbilder, die Personen in einem gesellschaftlich konnotierten Rahmen zeigen, in dem z.B. das Familienoberhaupt in der Mitte seiner Familienmitglieder gezeigt wird. Doch es bleibt nicht bei der traditionellen Darstellung. Jessica erweitert die Konstellation auf eine größere Komposition, in der noch weitere Personen den Betrachter auf eine herausfordernde Bildreise mitnehmen.
Jessica Slominski o.T., 2010, 43 x 31,5 cm
Dem Collagematerial auch nicht völlig abgeneigt ist Hans Theo Kull. Aus seinem riesigen Werk an Zeichnungen hat er 15 ausgewählte Arbeiten präsentiert.
Hans Theo Kull
Theo lässt sich anfangs treiben, setzt seine Kreidebewegungen in braun, ocker oder weiß bis sich etwas herauskristallisiert, dass ihn zur Weiterbearbeitung reizt. Dann setzt er Konturen, fügt Schatten und Zeitungsschnipsel hinzu bis die kleinen Wesen und darin steckenden Geschichten auch für den Betrachter sichtbar werden. Es ist eine Betrachtung der besonderen Art.
Hans Theo Kulls Zeichnungen sind im Internet nicht zu finden. Umso mehr sollte man die Zeit nutzen, bei der nächsten Ausstellung, in der seine Arbeiten vertreten sind, auf Entdeckungsreise zu gehen.
Natürlich habe ich noch etwas an der Hängung ergänzt – ich konnte gar nicht anders. Und so ziert nun die Recherche einen Pfeiler und wirkt dort in ihrer Reduktion und Einzelhängung sehr schön.
Um die Ecke geht es weiter
Solitär kann eine Recherche sein
gern gesehene Besucherinnen, Foto von W. Keck
Gespräche, Foto von A. Höricht
Schon vor 16 Uhr waren viele Menschen in der Kommunalen Galerie und es wurden noch mehr. Das wuselige Treiben hielt uns in Bewegung. Ich bekam viel positives Feedback. Einige Zeichnungen aus der Serie Menschen der Stadt fanden einen neuen Besitzer. Die Besucher ergänzten – angeregt durch die Titel und die abgebildeten Haltungen – noch viele weitere Hintergrundsgeschichten zu meinen Zeichnungen. Manchmal stimmten sie mit meinen überein. Durch andere bekam ich einen ganz neuen interessanten Blick auf die Mimik und Gestik der gezeichneten Personen.
Kurz vor Ende des ersten Tages kam das Unvermeidliche: mein Aushängeschild im 3 TAGE KUNST-Katalog Eine neue Perspektive verändert die Haltung erhielt den roten Punkt. Wenn eine für mich wichtige Arbeit gekauft wird, ist das immer ein besonderer Moment. Ein bisschen ringe ich mit mir, ob ich das Bild wirklich loslassen möchte. So einfach ist das nämlich gar nicht. Doch dann überwiegt die Freude, dass auch ein anderer das Bild so toll findet und es kauft.