Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen

Ein erster Blick in den ersten Ausstellungsraum des Georg Kolbe Museums wird unmittelbar von Franz von Stucks Circe angezogen, die leicht vornübergebeugt vor einem intensivblauen Hintergrund nach rechts oben schaut, den Kopf aber nicht hebt. Wen schaut sie leicht herausfordernd und keinesfalls demütig an? Franz von Stuck hat diesen Blick der Circe, welche von der Schauspielerin Tilla Durieux (1880-1971) dargestellt wurde, in mehreren Variationen gezeichnet und gemalt. Drei davon hängen im ersten Raum. Eine weitere Variation ist derzeit in der Alten Nationalgalerie Berlin in der Ausstellung Secessionen. Klimt. Stuck. Liebermann zu sehen.

Im nächsten Raum wird der Betrachtende mit dreidimensionalen Bronzeköpfen und -figuren der Schauspielerin von Ernst Barlach, August Gaul und weiteren konfrontiert. Mimik spielt in diesen Skulpturen keine Rolle. Die Besucher:innen bewegen sich leise durch die Reihen der Torsi, die scheinbar entrückt wirken. Der Großteil ist mit Blick auf den Garten ausgerichtet.

Der künstlerische Blick auf Tilla Durieux wird durch Fotografien und einen Filmausschnitt aus dem Filmspiel Langusten (1960) ergänzt, die sie im Alter von 80-90 Jahren zeigen. Waren vorher die Gemälde, Zeichnungen und Fotos weitestgehend von der Rolle einer Femme fatale geprägt, zeigen die späten Darstellungen eine humorvolle und charakterstarke Frau, bei der man nahezu eine private Seite erahnen kann.

Fast alle Exponate stellen die Schauspielerin dar. Bei den meisten ist der Blick vom Betrachter abgewandt, da sie jeweils in einer Szene posiert, kokettiert, dramatisiert. Tilla Durieux saß vielen Künstler:innen ihrer Zeit Modell für Zeichnungen, Gemälde, Fotos und Skulpturen.
So unterschiedlich die verschiedenen Künstler:innen sie darstellten, so variationsreich ist auch die Wahrnehmung der Persönlichkeit der großen Schauspielerin.  Obwohl nur eine Frau Ausgangspunkt der 200 Exponate ist, bleibt das Gefühl, dass viele verschiedene Frauen portraitiert wurden.
Die Ausstellung im Georg Kolbe Museum lädt dazu ein, die vielen Facetten der Künstlerin und ihre Bedeutung für die Kultur des 20. Jahrhunderts vom 13.5.-20.8.2023 zu entdecken.

Georg Kolbe Museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin

Öffnungszeiten Mi-Mo 11-18 Uhr

Fotos von lks. n. re.:
1 Franz von Stuck: Circe. 1912. Foto: K. Bröskamp
2 Max Slevogt: Die Schauspielerin Tilla Durieux als Kleopatra. 1907. Foto: K. Bröskamp
3 Eugen Spiro: Dame mit Hund (Tilla Durieux). 1905. Foto: K. Bröskamp

2 Gedanken zu „Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“

  1. Toller interessanter Beitrag. Die Werke finde ich toll, so lebendig, ausdrucksstark, das Gesicht von ihr im blau- weißen Kleid gefällt mir auch ausgesprochen gut, eine offene, lustige, glückliche Frau.

    1. Danke, Astrid! Sie ist ganz sicherlich eine interessante Frau gewesen und muss eine unglaubliche Faszination auf andere Menschen gehabt haben. Sie hat in ihrem Leben eine Menge schöner und furchtbarer Momente erlebt. Die Nachbarn meiner Mutter kannten sie persönlich und erzählten von ihr. Das machte das Bild von ihr noch ein bisschen abgerundeter.

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