Der mittlere Tag bot Zeit für Gespräche mit meinen KollegInnen. Es ist immer sehr spannend, was die anderen zu erzählen haben, was ihnen wichtig ist und natürlich welchen Eindruck ihre Arbeiten hinterlassen.
Mit Jessica Slominski verband mich nicht nur die Wand, auf der wir unsere Arbeiten aufgehängt haben, sondern auch unsere Vorliebe für Mischtechniken. Ähnlich wie ich sammelt sie jegliches Collagematerial, das sie inspiriert. Dazu gehören bei ihr aber auch alte Fotos, die sie in ihre Bilder auseinander geschnitten einfügt und anschließend malerisch weiterbearbeitet. Diese Kombination von Foto, Pinselstrich und Schriftstruktur ergibt eine irritierende Wirkung, die mich besonders bei der Arbeit mit der Frau im grünen Kimono beeindruckte (Ein Klick aufs Foto vergrößert die Ansicht).
Auf den ersten Blick ist der Wechsel nicht wirklich auszumachen, so sehr leuchtet und schillert das Grün durchgehend. Zudem ist die farbliche und inhaltliche Eigenart alter Farbfotos hier gekonnt technisch und kompositorisch in Szene gesetzt worden. Man kann die Vergilbung alter Fotos und die farbliche Überbetonung durch die verschiedenen Materialien geradezu haptisch ausmachen. Aber auch die Inszenierung ihres Motivs steht in der Tradition der Fotografien des letzten Jahrhunderts. Die Figur zieht rechts von der vertikalen Bildachse den Blick auf sich und dokumentiert das Interesse einer Generation an der Exotik und des Fremden, das auch mich (um die 100 Jahre später) gleich angezogen hat. Der Umriss der Frau im Kimono umgibt sie im „Hintergrund“ wie ein farblich variierender Schatten in Schwarz, Weiß und Ocker, wodurch das Bild eine abstrahierte Räumlichkeit erhält.
Ein weiteres Motiv in ihrem Werk sind die Familienbilder, die Personen in einem gesellschaftlich konnotierten Rahmen zeigen, in dem z.B. das Familienoberhaupt in der Mitte seiner Familienmitglieder gezeigt wird. Doch es bleibt nicht bei der traditionellen Darstellung. Jessica erweitert die Konstellation auf eine größere Komposition, in der noch weitere Personen den Betrachter auf eine herausfordernde Bildreise mitnehmen.
Dem Collagematerial auch nicht völlig abgeneigt ist Hans Theo Kull. Aus seinem riesigen Werk an Zeichnungen hat er 15 ausgewählte Arbeiten präsentiert.
Theo lässt sich anfangs treiben, setzt seine Kreidebewegungen in braun, ocker oder weiß bis sich etwas herauskristallisiert, dass ihn zur Weiterbearbeitung reizt. Dann setzt er Konturen, fügt Schatten und Zeitungsschnipsel hinzu bis die kleinen Wesen und darin steckenden Geschichten auch für den Betrachter sichtbar werden. Es ist eine Betrachtung der besonderen Art.
Hans Theo Kulls Zeichnungen sind im Internet nicht zu finden. Umso mehr sollte man die Zeit nutzen, bei der nächsten Ausstellung, in der seine Arbeiten vertreten sind, auf Entdeckungsreise zu gehen.